Epidemiologie von Rückenschmerzen

 

  • Patienten mit normalen Rückenschmerzen (Non-Specific-Back-Pain) sind meist zwischen 20 und 55 Jahren
  • Über 50 Prozent der Erwachsenen in Deutschland erfahren mindestens einmal im Jahr Rückenschmerzen
  • Etwa 80% sind nach zwei Wochen wieder beschwerdefrei, das bedeutet, dass Rückenschmerzen in der Regel schnell abklingen
  • Bei jedem vierten kommt es zur Chronifizierung
  • Chronifizierung von Beschwerden hat mit psychosozialen Einflüssen zu tun
  • Bei etwa 90% der Rückenschmerzen lässt sich keine medizinische Ursache finden (Non-Spezific Back Pain)
  • Personen die an der Wirbelsäule operiert wurden, leiden daraufhin statistisch gesehen häufiger wieder an Rückenschmerzen

 

 

Nicht empfohlene Maßnahmen

Massage

… ist eine hervorragende Möglichkeit um Entspannung und Wohlbefinden zu erlangen. Allerdings ist es keine Therapieform bei der Behandlung von chronischen Beschwerden. Hier sollten vor allem aktive Therapiemethoden zum Einsatz kommen, da sie den größten Erfolg bringen.

TENS – Elektrotherapie

Objektive Untersuchungen haben bisher keine Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode bei unspezifischen (chronischen) Rückenschmerzen feststellen können.

Traktionstherapie

Auf der Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen, die bereit seit 1995 bekannt sind, geht hervor, dass Traktionstherapie, beispielsweise mit einem Schlingentisch oder manuell ausgeführt, keinen objektiv messbaren Erfolg hat. Messungen am Präparat haben sogar ergeben, dass eine Traktion, also ein Zug an der Halswirbelsäule, keine Druckveränderung in den Wirbelgelenken zur Folge haben. Auf internationaler Ebene finden diese Ergebnisse Bedeutung, weshalb Traktionstherapie in den Behandlungsrichtlinien nicht empfohlen wird. Anders sieht es  in Deutschland aus, wo diese Art der Heilmittelerbringung immer wieder auf Rezeptverordnungen zu finden ist.

Passive Therapiemethoden

… sind grundsätzlich nicht geeignet um unspezifische Beschwerden, also jene, die keine strukturelle Schädigung aufweisen zu behandeln. Gründe dafür sind bereits in der Berufsethik enthalten. Ein grundliegendes Anliegen von Therapeuten sollte die Förderung der Autonomie von Patienten sein. Dies wird jedoch nur durch aktive Therapiestrategien erreicht. Bei passiven Maßnahmen wird anstatt von Autonomie eher eine Abhängigkeit fazilitiert, was wiederum ein wissenschaftlich belegter Faktor für eine Chronifizierung von Beschwerden ist.

 

 

Empfohlene Maßnahmen

 

Aufklärung

 Durch gezielte Informationen wird ein Bewusstsein geschaffen, dass es ermöglicht, auf die jeweilige Beschwerdesituation zu reagieren. Der Patient wird in einem bio-psycho-sozialen Menschenverständnis als frei und verantwortliche Person angesehen, die nach dem die notwendigen Informationen gegeben wurden, selbst entscheiden kann, welche Wahl sie für ihr Verhalten treffen wird. Damit ist der Patient maßgeblich verantwortlich für den Ausgang der Therapie. Der Therapeut steht dabei unterstützend und motivierend zu Seite.

Beschwerden sind maßgeblich von Emotionen, Gefühlen und Gedanken beeinflusst, die sich der Patient über seine Situation selbst macht. Schuld daran sind zum einen unsere persönlichen „Blue Prints“. Also Blaupausen, die wir in unserm Kopf haben und von Ethik, Moral, Religion, Menschenverständnis, etc. geprägt sind. Diese sind uns oft selbst nicht wirklich bewusst, beeinflussen aber jeden von uns.

 Was das bedeutet soll kurz am Beispiel des Bandscheibenvorfall (BSV) verdeutlicht werden:

Die meisten Menschen denken, dass ein BSV etwas sehr schlimmes ist. Es wundert auch nicht, denn durch (Fehl)Informationen, Modellerklärungen und Theorien die bewusst verbreitet werden, wird suggeriert, dass dies eine schwerwiegende Beeinträchtigung sei. Daher neigen betroffene auch dazu ihre körperliche Belastung stark herunterzufahren und sagen oft: „Ich kann das nicht mehr machen, wegen meinem Bandscheibenvorfall!“, oder „Der Arzt hat gesagt, ich darf nicht mehr … machen!“

Befasst man sich eingehend mit der Thematik, betrachtet Statistiken und beobachtet betroffene Patienten, wird offensichtlich, dass ein Bildbefund, und nichts anderes ist ein Bandscheibenvorfall, nicht auf die Klinik und die Klinik nicht auf strukturelle Veränderungen dieser Art zurückzuführen sind, denn:

  • Es gibt Menschen mit einem Bandscheibenvorfall die Beschwerden haben
  • Es gibt Menschen mit einem Bandscheibenvorfall die keine Beschwerden haben
  • Es gibt Menschen ohne einen Bandscheibenvorfall die die gleichen Beschwerden haben wie die Gruppe mit einer Veränderten Bandscheibe

 

Das bedeutet, dass Bandscheibendegenerationen ganz normale morphologische Veränderungen sind, die etwa mit grauen Haaren zu vergleichen ist, denn sie tun nicht weh!

 

Durch ein bewusst geschaffenes und aufrechterhaltenes Informationsgefälle seitens derer, die mit diesen Beschwerden viel Geld verdienen, werden Patienten gezielt in die Chronifizierung gedrängt, denn mit gesunden lässt sich nun mal kein Umsatz machen.

Untersuchungen zeigen auch, dass etwa 70% der Bevölkerung nachweisbare Veränderungen der Bandscheibe haben, jedoch haben nur ein Bruchteil derer tatsächlich Beschwerden. Allein diese Information macht den Trugschluss deutlich, dass bei allen Menschen mit Rückenbeschwerden, die gleichzeitig einen Bandscheibenvorfall aufweisen, dieser die Ursache ist. Schließlich gibt es auch eine große Gruppe von Personen, die die gleichen Symptome haben, obwohl keine morphologischen Veränderungen zu erkennen sind

Ein weiterer wichtiger Punkt über den aufgeklärt werden muss, sind die psychosozialen Faktoren, die maßgeblich bei der Entstehung von Beschwerden beteiligt sind. Diese gilt es zu erörtern und mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen.

Nicht zu vergessen ist die Beratung über die Konsequenzen der Beschwerden und wie damit umgegangen werden soll, sowohl emotional also auch affektiv. Konkret: „Was darf ich alles machen?“, „Was soll ich vermeiden?“, „Wann darf ich wieder Sport treiben bzw. an Wettkämpfen teilnehmen?“, „Was bedeutet schonen?“

 

Voraussetzungen für normales Bewegen schaffen

 Dies ist wahrscheinlich der Punkt, der am meisten mit Physiotherapie assoziiert wird, denn hier schlüpft der Therapeut sozusagen in die Rolle des Mechanikers und beseitigt Bewegungseinschränkungen und Blockierungen. Dazu bedient er sich einem großen Repertoire an Handgriffen und Techniken.

 

Bewegen, bewegen, bewegen

 Wenn die Voraussetzungen für normales Bewegen geschaffen wurden, ist es für einen nachhaltigen Erfolg außerordentlich wichtig, dass weiterhin regelmäßig bewegt wird. Dazu gibt es eine Vielzahl von effektiven Übungen. Gerne gibt Ihr Therapeut auch Tipps über Sportangebote, Personal Coaching bzw. Training in Ihrer Umgebung, damit Sie nachhaltig aktiv bleiben, sich an Ihren Erfolgen erfreuen können und so mehr Wohlbefinden erlangen.
Bildgebende Verfahren

  • 61% der Frakturen werden auf Röntgenbildern nicht erkannt
  • Bei etwa 70% der Bevölkerung sind Bandscheibenvorfälle zu erkennen
    • Da nicht 70% der Bevölkerung an starken Rückenschmerzen leidet, lässt sich schließen, dass die Feststellung von Degenerationen nichts mit der Inzidenz von Rückenschmerzen zu tun hat.
  • „unerwünschte Nebenwirkung“ Patienten denen ihr Röntgenbefund gezeigt wird haben ein deutlich schlechteres Therapieergebnis
  • Auffällige Bildbefunde bei normalen Rückenschmerzen stellen in der Regel Zufallsbefunde dar
    • Positive Bildbefunde verändert die Wahrnehmung (Patient Values, Blue Prints)
    • „Katastophieren“ verstärkt eine Chronifizierung
  • Gibt es keine Anzeichen einer schwerwiegenden Pathologie ist von Bildgebenden Verfahren abzuraten

 

Medikamente

  • Von der Verabreichung von steroidalen Medikamenten wird abgeraten bei normalen Rückenschmerzen
  • Bei starken akuten Rückenschmerzen können nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) kurzfristig Linderung verschaffen
  • Selbstmedikation über einen längeren Zeitraum ist ein Faktor für Chronifizierung

 

Operationen

  • Im Vergleich zu konservativen Methoden sind bei Operationen von Bandscheibenvorfällen nach drei Monaten keine Unterschiede in den Therapieergebnissen zu erkennen
  • Das Risiko, sich bei einer Operation mit MRSA zu infizieren ist ernst zu nehmen
  • Untersuchungen zeigen keinen Nutzen von Operationen im Vergleich zu intensiver interdisziplinärer Rehabilitation von Rückenschmerzen
  • Ein großer Teil der Operierten erlebt suboptimale Ergebnisse (bestehende Schmerzen, Defizite in der Funktion)
  • Statistisch gesehen führen Operationen zu einer Verbesserung der Beschwerden nur um 10-20%
  • Viele Patienten nehmen nach ihren Operationen weiterhin Schmerzmittel ein und erlangen keine vollständige Funktionsfähigkeit

 

Bewusstsein

  • Schaffen Sie sich ein Bewusstsein über Ihr Gesundheitsproblem
  • Seien Sie sich der Faktoren bewusst die Gesundheit beeinflussen
  • Machen Sie sich klar, welche Einflüsse negative Stressoren haben
  • Bedenken Sie, dass eine positive Herangehensweise an ein Gesundheitsproblem bessere Ergebnisse bringen als eine negative
  • Überprüfen Sie ihre Grundbedürfnisse
  • Machen Sie sich klar, welchen Einfluss „Bewegen“ auf ihre Gesundheitssituation hat

 

 

Verhalten bei normalen Rückenschmerzen

  • Es ist gut, nicht länger als eine halbe Stunde in der selben Position zu verharren
  • Unterbrechen Sie längeres Sitzen durch Aufstehen, Strecken, Herumgehen, Dehnen
  • Gehen Sie mehr zu Fuß, nehmen Sie das Fahrrad und verzichten Sie öfter auf das Auto
  • Benutzen Sie Treppen statt Aufzüge
  • Belasten Sie regelmäßig Ihren Kreislauf (2x / Woche, 40 min, 130 – 140 Puls)
  • Bei längeren Strecken im Auto Pausen einkalkulieren und einhalten

 

Unter  www.versorgungsleitlinie.de  kann man die neueste Nationale Versorgungsleitlinie immer aktuell abrufen.

 

Praxis für Physiotherapie und Angewandte Manuelle Therapie Hauptstr. 9-11 71116 Gärtringen